Deadline 24th December Es ist schon still im Büro, bei schwachem Licht, die Schreibtische sind verlassen, die Laptops heruntergefahren & geschlossen Schneeflocken fallen leis' und sacht', weil das der Bildschirmschoner macht, ganz lautlos über'n Monitor. Kein Druckerschnarren dringt an's Ohr, nur die Standby-Diode brennt und flackert leicht. Es ist Advent. Da schließ’ ich ohne Eil' g'rad' noch mein letztes Backupfile. Und als ich leg’ die Akten hin, geht mir so manches durch den Sinn. Ich denk’ an die Vergangenheit: "Von wegen gute alte Zeit! Manch' Stund' hat man mit Zeug verbracht, das heut' der Rechner ruck-zuck macht." Ich denk’ mit mitleidsvoller Miene an Blaupapier und Schreibmaschine und an das Warten auf die Post - wochenlang von hier nach dort. Heut' mit dem Fax, da geht das fix, und per E-Mail erst in null-komma-nix, schon sind die Daten über'n Bus. So komm’ ich zu dem festen Schluss: "Heut' hat man's besser, keine Frage!" Und jetzt geht's in die Feiertage. Ich hab’ mir fest vorgenommen, nicht allzu spät nach Haus zu kommen. Heiligabend muss vor allen Dingen mir Ruhe und Erholung bringen. Doch als ich mich zum Heimgeh'n wandt', fängt das Handy zu klingeln an. Und als ich nach dem Handy greif’, sehe ich, es ist der Chef, der ganz offenbar noch Etwas zu erledigen hat. "Ach Gott," sag’ ich nach kurzem Hören, "das hatten wir total vergessen." Da geht's – ich hab’ es gleich gecheckt - um irgend so'n EU-Projekt, das lange schon mal ausgeschrieben. Die Bewilligung war ausgeblieben, doch nach Protesten und Beschwerden kann es nun neu beantragt werden. Ganz unten steht dann noch: "Just remember: Deadline: 24th December!" Zwar war mir das nicht angenehm, doch im Prinzip auch kein Problem. Da ich's schon mal beantragt hatte, ist es gewiss noch auf der Platte. Schnell raus mit E-Mail oder Fax. Termineinhaltung ist ein Klacks. Eine Kopie vom Erstantrag noch in der Aktenmappe lag. So denk’ ich: "Da mach ich mir's leicht! Der wird einfach nochmal eingereicht. Nur's Datum ist nicht aktuell. "Na, kein Problem, das hab'n wir schnell!" Trotzdem fass’ ich noch den Entschluss, dass ich zu Haus Bescheid geben muss: 'ne halbe Stund' ich später käme, mehr Zeit das nicht in Anspruch nehme. Das Telefon zu Haus belegt, was mich nicht unbedingt erregt. So schick’ ich halt' ne Mail, ok, an frau.minister@t-online.de. Nun froh an's Werk, jetzt wird sich g'sputet, mit frohem Pieps der Rechner bootet und schon geht's rund, schnell wie ein Pfeil: DOS, Windows, Word und Open File. Doch eines ist jetzt schon fatal: Wie hieß denn die Datei noch mal? Schau'n wir mal, was es da gibt. Abkürzungen sind ja sehr beliebt: wrzlbr.fmt und knrad.txt es ist schon manchmal wie verhext. Und man vernimmt ein leises Fluchen: "Ja Sakrament, da muss ich suchen." Nach einer Stunde, in der Tat, ich die Datei gefunden hab’. Sie hieß 'test.doc', es ist zum Flennen, das hätt' ich mir ja denken können. "Na bitte" dachte ich, "das passt! Nur noch 'ne Kurzmessage verfasst, das File als Anhängsel attached und dann ins Internet gequetscht. Vorher wie immer den Login, dann kriege ich das schnellstens hin." Doch kommt es nicht ganz, wie ich gedacht. Denn was am Bildschirm da erscheint, das hätt' mich beinah' umgehaun. Es steht da "LOCAL NETWORK'S DOWN!" Rasch die Hotline angewählt. "Das krieg'n wir schon!" - doch weit gefehlt: das Rechenzentrum menschenleer, am Heiligabend ist da keiner mehr. Dann klingelt noch das Telefon. Mann & Kind mit lautem Ton entfach’n 'ne Diskussion sofort, die schließlich endet mit dem Wort: "Dann heirat' nächstens dein Büro!" Das stimmte mich jetzt auch nicht froh. Darauf versuch’ ich einmal noch den Login, denn vielleicht geht's ja doch. Nach 10 Versuchen schmeiß’ ich's hin: "Das hat doch alles keinen Sinn. Dann eben nicht mit Internet, das macht das Kraut jetzt auch nicht fett. Stattdessen drucke ich es aus und dann geht es per Fax hinaus." Doch wieder meine Technik irrt. Ich blick’ den Ausdruck an verwirrt und ich muss zugeben, dass man die Formeln nicht entziffern kann. Den Grund dafür, den kenn’ ich schon: Das liegt sicher an der Word-Version. Der Text mit WinWord 2 geschrieben ist nicht ganz up-to-date geblieben. Dies Manko wird eliminiert, indem man Filter installiert, ein paar Fonts zusätzlich lädt, darauf in die win.ini geht, dort zwei drei Einträge editiert und dann reg.dat modifiziert. Zuletzt dann schließlich dreimal booten, das dauert nur ein paar Minuten. Nach drei Stunden hin und her lief dann überhaupt nichts mehr: Kein Word, kein Windows und kein DOS. Frustriert ich dann d'rauf beschloss, den Rechner nunmehr abzuschalten und zu versuchen, nach der alten Tippex- und Schreibmaschinenweise den alten Antrag still und leise zu retouchier'n und wegzuschicken. Das sollt' mir heute doch noch glücken. 20 vor zwölf war es geschafft. Ich völlig abgeschlafft, mehr wank’ ich schon, als dass ich geh’, schnurstracks bis zum Faxgerät. Den Antrag in den Einzugschacht, gewählt, doch - wer hätte das gedacht - hör’ ich nur das Besetzt-Signal und's Display zeigt: "ERNEUTE WAHL". Und so probier’ erneut ich 's wieder, die Laune ist total dar nieder. Beim zehnten Anlauf endlich dann springt die Übertragung an. Es geht mir nur durch den Sinn: "' s ist zwei vor zwölf, das haut noch hin!" Wie ich mich freu’, nah'zu unbändig, zeigt's Display: "SENDUNG UNVOLLSTÄNDIG". Es kracht die Faust, die keiner hält, zack-bumm auf das Bedienungsfeld. Und bei diesem Faustschlag im Affekt ist's Faxgerät total verreckt. Es trifft dies mich nun äußerst schwer: Jetzt ist es aus, jetzt geht nichts mehr! Am Boden liegend seh' ich dann das Blatt Papier, mit dem's begann. Fast rasend schnaube ich: "Just remember: Deadline 24th December!" Als ich das Blatt zerreißen will, wird’ ich mit einem Male still. Da seh’ ich, dass es in der Tat auch rückseits noch was stehen hat. Da steht - das seh’ ich jetzt ganz klar - "Wiederholungsanträge bis Ende Januar." Perplex steck’ ich nun den Antrag einfach in einen Briefumschlag, Adresse d'rauf und, ohne Drang, ab damit in den Postausgang. Schwer hat der Abend mich geplagt, doch jetzt scheint's endlich abgehakt, und ich tret’ unverzüglich dann den wohlverdienten Heimweg an. Busse fahr'n zwar längst nicht mehr, doch sehe ich das nicht so schwer und ich beschließ’ zu Fuß zu laufen, um gute, frische Luft zu schnaufen. Ganz still ist es um diese Zeit, die Landschaft liegt im Winterkleid, Schneeflocken fallen sacht und leis', rings um mich her nur tiefes Weiß. Man hört nichts Lautes, und im Dunkeln vereinzelt ein paar Sterne funkeln. Auf meinem langen Weg nach Haus' kram’ manch' Erinnerung ich aus. Viel fällt mir ein, während es schneit, aus der guten alten Zeit. Frohe Weihnachten! |
December 23, 2010
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